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Das Alltagsleben im Werderland

Das Leben auf einem Hof in Mittelsbüren und Grambke / Erinnerungen von G. Hoffmann

Einleitung

  • Im Folgenden gebe ich Erinnerungen eigener Erlebnisse und Beobachtungen, aber auch mir vom Hörensagen her bekannt gewordenes wieder. Aufzeichnungen existieren bei mir hierzu nicht. Dem chronologischen Ablauf und der historischen Wahrheit will ich so gut es geht entsprechen. Da ich ggf. werte, kommentiere und auch "was man sich so erzählte" einfüge, wird es kein reiner Bericht. Zeitangaben wie "heutzutage" beziehen sich auf 2012/13. Aufzeichnunge habe ich nicht zur Verfügung. - Diese Einleitung gilt auch für hier verlinkte Seiten
 
  • Meine ersten Lebensmonate, den letzten Kriegsmonaten, soll ich in Grambke und auch, evakuiert, in Rothenburg/W. verbracht haben. Meine Eltern waren bei meiner Geburt Mitte 30, für damalige Verhältnisse beim ersten Kind recht alt. Ursächlich soll das "Heiratsverbot" wegen der zahlreichen Trauerfälle in der Familie gewesen sein. Nach jedem Todesfall war ein Jahr zu trauern, Bilder und Spiegel wurden verhängt, auf alles was das Leben angenehm machte, war zu verzichten. So kam es, dass meine Eltern 9 Jahre "miteinander liefen", davon 2 Jahre als Verlobte.

 

  • In den Mangeljahren im und nach dem Krieg wollte man in der Familie nicht auf Fleisch in der Ernährung verzichten. Es gab wohl eine erhöhte Ration als Schwerarbeiterzulage des Vaters, dennoch schien es nicht zu reichen. So hielt man hier in Grambke in einem Kleinen Schuppen von ca. 5 qm etwa 60 Kanninchen, in zwei Ebenen untergebracht. Nach dem ich davon durch erzählen erfahren hatte, kam mir das als Schulkind schon sehr kritikwürdig vor. Aber den zugrundeliegenden Mangelzustand hatte ich ja nicht bewußt mitbekommen.
 
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Hof Hoffmann / Mittelsbüren 19
  • An sich war wohl kein echter Mangel, denn was so fehlte konnte meine Mutter vom elterlichen Hof (Bild oben), den zu der Zeit einer iher Brüder führte und bei dem sie ihren Pflichtarbeitseinsatz ableistete, sicher mitbringen. Allerdings soll es auch Kontrollen auf Straßen und Wegen gegeben haben. Die Bauern waren zu Zwangsabgaben verpflichtet. Sie durften über ihre Erzeugnisse nicht eigenmächtig verfügen. Durch die auf dem Hof geleisteten Arbeitsstunden entging meine Mutter einer zwangsweisen Fabrikarbeit.

 

  • Um den elterlichen Hof für den in Rußland - vermeintlich - vermißten weiteren Bruder Georg bis zu seiner möglichen Rückkehr zu verwalten, zogen wir 1945 als Pächter auf eben diesen Hof. Der bis dahin den Hof verwaltende Bruder Hini war 1945 verstorben.

 

  • Georg war nicht wirklich vermißt, er war "gefallen", wie man den Tod eines Soldaten nannte. Die Geschwister wußten das, wollten es aber nicht wahr haben, keinesfalls sollte der Hof an den Schwager, Jakob Lürs in Timmersloh, fallen.

 

  • Das Viehhaus war sehr alt und in Niederdeutscher Bauweise ausgeführt. Eine der Längswände wurde durch schräg stehende Kanthölzer abgestützt. An sich war das Gebäude wohl abgängig. Durch wiederholte Deicherhöhungen lag die Traufe deutlich unter Deichkronenniveau. Deichseitig stand, quer zum Viehhaus auf Deichhöhe, das ca.1909 erbaute Wohnhaus mit den Hauswirtschafts-, und den Schlafräumen für die Mägde und Knechte. Die Verbindung beider Gebäude miteinander bestand aus einer breiten, wohl 1,5 m hoch zum Wohntrakt führenden Treppe. Und dem üblichen breiten verglasten Türelement, durch das hindurch man in das Viehhaus blicken konnte.

 

  • Auf einer Erhöhung (rechts, schemenhaft) (Wurt) stand eine Scheune mit integrierten Viehställen, teils im Kellergeschoß. Einen kleinen Eindruck gibt das Bild oben wieder. Die dort links zu sehenden Gebäude gehören zu Mittelsbüren 18.

 

  • Die "Leute" hielten sich nach Feierabend in der Wirtschaftsküche oder in ihren Zimmern auf. Sie konnten jedoch auch den Hof nach Feierabend verlassen und bspw. ins Dorf gehen. Die Familie des Bauern nutzte die kleine Stube, in der man sich auch mit gewöhlichen Besuch traf. So den durchreisenden Frisör, die Schneiderin oder auch den Versicherungsvertreter.

 

  • Eines Abends war alles anders. Die Leute waren nicht in der Küche, meine Schwester, ich und der Vater saßen am Küchentisch, es war eine ungewohnte Stimmung im Raum. Nachdem wir eine Zeit ohne vernünftige Erklärung warteten, so da saßen, schaute eine fremde Frau durch den Türrahmen, sagte etwas. Wir standen auf und gingen in das elterliche Zimmer. Im Bett Mutter mit einem kleinen Kind im Arm. Das sei unsere Schwester, hieß es. Mutter strahlte, wie zuvor nie gesehen - und auch später nicht!

 

  • Wo kam die Kleine wohl so plötzlich her? Wir wußten als Kinder auf einem Bauernhof sehr wohl um die Zusammenhänge beim Vieh. Bei Menschen sollte alles anders sein? Die Kinder bringe der "Klapperstorch"? Im Oktober? Kinder um die Wahrheit betrügen?

 

  • Für Feierlichkeiten oder um wichtige Gäste zu emfangen, gab es die "Gute Stube", in die für gewöhnlich der Zutritt verboten war.

 

  • Das Bürner Schulgebäude steht noch und liegt auf ca. halben Weg zwischen dem ehemaligen Mittelsbüren und Niederbüren. Das war klug überlegt, denn für die Kinder aus diesen Dörfern war das Haus erbaut. Unterichtet wurden die Jahrgänge 1 - 4, sowie 5 - 8 jeweils in einem Raum zusammen. Der Lehrer sprach zu einem Jahrgang während die übrigen Kinder die ihnen gestellten Aufgaben abarbeiteten. Oder ggf. von älteren Schülern betreut wurden.

 

  • Sport gab es gelegentlich auch. Etwas vertieft, zwischen Friedhof und Schule, hatte man einen einfachen Platz hergerichtet. Im Winter dann eben eine Schneeballschlacht.

 

  • Es war wohl 1953, als eine schwere Sturmflut die Deichsicherheit gefährdete. Das Wasser stand wenige Dezimeter unter der Deichkrone. Man ging Wache - das Spatenrecht galt nicht mehr, die Dorfgemeinschaft hatte einen eventuellen Deichbruch zu schließen. Der Zustand des Deiches wurde turnusmäßig vom Deichverband überprüft.

 

  • In der Stadt herschte Mangel an allem. Daher erinnerten sich die ehemals besser gestellten Verwandten väterlicherseits an ihren Cousin, Neffen etc. So kamen dann Tante Frieda; Onkel Henry, Tante Lilo, Gertrud und all die anderen "Vornehmen" aus Schwachhausen um mal wieder ohne Einschränkung essen zu können. Man fuhr vom Martini-Anleger aus mit einem Schiff der Schreiberlinie zum Anleger bei der Moorlosen Kirche und lief dann ins Dorf - die Lieben Verwandten zu "erfreuen". Oma und Opa ließen sich dagegen mit der geschlossenen Kutsche von der Haltestelle in Grambke abholen.

 

  • Auch Dienstleister, wie Handwerker und auch der Tierarzt nahmen gern eine Mahlzeit an. Es war üblich und gehörte zum guten Ton, diesen Menschen nach der Arbeit ein Essen anzubieten.
 
  • Eine Anekdote:
    • Zwei auswährtige Dachdecker sollten ein (Stroh)-Dach ausbessern. Nach der Anreise aus Osterholz- Scharmbeck war erst einmal ein Frühstück fällig. Die Bäuerin tischte auf und stellte 1 gekochtes Ei hinzu. Lästermäuler unterstellten später, dass die Frau das Ei nur ungern hergab. Die Handwerker teilten sich das Ei und die Bäuerin? - ist nicht überliefert.
 
  • Die Räume der Mägde (Deerns) waren im Obergeschoss untergebracht und von dem großzügigen, mit Terazzo-Fussboden ausgestatteten Flur - eigentlich schon eine Halle, aus zugänglich. Die Zimmer der Knechte lagen im Erdgeschoss des Wohnhauses und waren vom Viehhaus aus zu erreichen. Soviel Ordnung und Anstand mußte schon sein!
 
  • Einschub:
    • Nun wird "Anstand" bzw., sittsames Verhalten unterschiedlich interpretiert. Eine Enkelin (ca. 90 Jahre alt) von Johann Hagens, dem Bauern auf Mb 19 in der Zeit bis in den zweiten Weltkrieg hinein, berichtete mir, dass ihr Opa häufig "fremdgegangen" sei. Er habe mit den Mägden des Hofes sexuelle Kontakte unterhalten. Sie habe das von ihrer Mutter und auch einer Tante erfahren. Sicher war das damals wohl normal. Für ihre Großmutter war das Wissen um dieses Verhalten sehr belastend, so die 90-jährige weiter. Zumal ihr Großvater die schönsten Kleider seiner Frau den "Jungen Deerns" schenkte.
 
  • Die Auswahl der "Leute" traf Johann Hagens höchstselbst. Knecht (en) wurde beim Einstellungsgespräch Essen vorgesetzt. Wer zu langsam seine Mahlzeit verzehrte, durfte sich anderenorts eine Anstellung suchen. "Wie de Backen, so de Hacken" Die Deern (s) mußten die Kunst des sparsamen und dennoch ordentlichen Kartoffelschälens beherschen.

 

  • In aller Regel trafen sich die auf dem Hof lebenden Menschen zu den Mahlzeiten in der großen Küche. Das galt für die Angestellten und auch die Familie des Bauern. Es gab allerdings auch Bauern, die ihre Mahlzeitenn von den "Leuten" getrennt und dabei noch "bessere" Speisen verzehrend, einnahmen.

 

  • Nach dem Mittagessen bekamen die Katzen des Hofes in der Waschküche ihr Futter. Aus der Dose?, gekauft?? - nein, was die Menschen aßen, schmeckte auch Hund und Katz!
 
  • Eine Anekdote:
    • In der Winterzeit bereitete man Klaben, der wegen seiner Größe und Menge nicht im heimischen Herd gebacken werden konnte. Daher brachte man den ausgeformten Klaben zum backen zu Heißenbüttel. Der gegen einen Lohn diese Aufgabe übernahm.
    • Eine Bäuerin hatte auf einen der Klabenlaibe einen Zettel geklebt: "Für unsere Leute, ohne Fett". was den Bäcker wohl zu einer besonderen Aufmerksamkeit veranlassen sollte. Das Gespött war der Dame lange Zeit treu.
 
  • Zu Frühstück gab es Brot vom Bäcker mit Auflage aus eigener Herstellung. Mittags kam deftiger Eintopf auf den Tisch. Die Kaffeezeit wurde regelmäßig eingehalten. Am frühen Abend, nach getaner Stallarbeit, aß man Bratkartoffeln, zu denen beispielsweise angebratene Blutwurstscheiben angeboten wurden. Abschließend stand ein großer Topf heißer Milch mit Nudeln darin (Milchsuppe / Milchspeise) auf dem Tisch.

 

  • Die Sitte, dass alle reihum aus einem Topf aßen, bestand nicht mehr. Jeder hatte seinen eigenen Teller, dazu Messer, Gabel und Löffel vor sich.

 

  • In Zeiten intensiver Außenarbeit wurden den Leuten frisch bereitete Speisen und Kaffee auf's Feld gebracht.

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  • Geschäfte mit Hilfe des Telefons konnten praktisch nicht getätigt werden, da es nur in wenigen Häusern einen "Fernsprechanschluß" - wie die zuständige Post das nannte, gab. Bei eiligen Nachrichten oder Gesprächsbedarf riefen Auswärtige, die "Öffentliche Fernsprechstelle" in der Gaststätte Imhoff an. Von dort machte sich jemand auf den Weg und überbrachte die Nachricht der Zielperson. Oder die angerufene Person ging mit zu Imhoff und führte von dort aus ein Telefongespräch mit dem auswärtigen Partner.

 

  • Der Briefträger kam zuverlässig an allen Werktagen ins Dorf. Wer Post verschicken wollte, mußte sich zu Imhoff begeben und den Brief in den dort angebrachten amtlichen Kasten einwerfen. Es ging aber auch anders. Man stellte einen Stuhl neben die Gartenpforte am Deich. Der Briefträger fragte dann nach und nahm die Sendung auch gleich mit.

 

Das Arbeitsleben auf dem Hof


 

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