"Von Angesicht zu Angesicht" oder schlicht "gegenüber", so haben Studentinnen und Studenten der privaten Kunstakademie in St. Magnus die Stahlwerke denn auch gesehen. Gemälde, Zeichnungen, Keramikobjekte, Fotografien und Video-Installationen, einerseits geographisch interpretiert, aus der Ferne, vom anderen Lesumufer aus; andererseits durch tatsächliche räumliche Annäherung, Begehungen vor Ort, die manch ungeahntes Detail sichtbar machten.

Menschen allerdings, so bemerkte Arcelor-Arbeitsdirektor Uwe Schmidt in seiner Begrüßungsrede, würden doch auffälligerweise in sämtlichen Arbeiten fehlen. Wenngleich ihn dies ein wenig unbehaglich zu stimmen schien, zeige die Ausstellung trotzdem, "dass es sehr viel Schönheit gibt im industriellen Produktionsprozess, die man oft nicht mehr sieht, wenn man mittendrin ist."

Das nun galt es zu überprüfen, an Hand all der Werke, die da in unterschiedlichsten Techniken und Gattungen um die Kunst des Stahlkochens kreisen - mitsamt des dafür notwendigen Drumherums. Dankenswerterweise tauchten, wenn schon nicht in den Bildern, so eben doch bei der Ausstellungseröffnung, Menschen auf. Eine Handvoll eindeutig "echter Arbeiter" etwa, voll in der Materie drin und wie gerufen, um darüber aufzuklären, dass auf zwei Bildern nebeneinander nicht Kessel und Schornstein zu sehen sind, sondern ein imposanter Gasometer nebst Fackeln und Wassertürmen.

"Aber in Wirklichkeit stehen die gar nicht so dicht beisammen", deutete einer stirnrunzelnd auf das eine in Rede stehende Bild von Holger Gestering. Wohl wahr, bestätigte der Künstler selbst, der nicht von ungefähr gerne im Doppelpack mit seinem Kollegen Gert Schulze anzutreffen ist. Beide von Haus aus Architekten, haben sie vor Jahren gemeinsam ihre Liebe auch zur freischaffenden Kunst entdeckt und für die Ausstellung oft an gleichen Motiven gearbeitet.

Während nun Gestering seine Bildidee auf Grundlage eines Fotos entwickelte, indem er dessen "optischen Effekt des Heranzoomens mit übernommen" hat, ist Gert Schulze die Sache deutlich distanzierter angegangen. Mit sprödem Pinselstrich facettiert, hat er gleich zwei Hochöfen mitsamt Nebenanlagen in den Blick genommen - und es hat beides seinen Reiz, die Betonung der Dichte und Schwere industrieller Bauten, wie auch die filigranere Sichtweise.

Stehen diese Arbeiten in der Tradition der Industrie-Malerei, geht es ein paar Schritte weiter tiefer in die Materie selbst. Eine der erwähnten Werksbegehungen öffnete insbesondere einigen Künstlerinnen den Blick für abwegigere Ansätze, die mehr den Werkstoff in den Vordergrund rücken. Bei Friedrike Latzko ist es zum Beispiel die Faszination durch den Stahl an sich - Rost, Lack, Farbigkeit und griffige Struktur - die sie veranlasste, ein herumliegendes Stück verschraubter Stahlplatten in den Stand eines "Objet trouvé" zu erheben, es "naturbelassen" zu einem Kunstwerk zu deklarieren.

Auch Beatrix Hitz wurde ihr Thema Keramik erst unmittelbar vor Ort zugänglich. Aus der Ferne, vom Gelände der Kunstakademie aus, ist dieser Aspekt nicht zu erkennen. Erklärt wird sein Zusammenhang mit dem Stahlkochen in ihrer künstlerischen Arbeit im Übrigen nicht. Ganz im Gegenteil eher, wo sie etwa ihre "Keramiktürme" wie zu einem "Zen-Garten" arrangiert. Einfach eine Einladung zum Selber-Nachdenken.

Dafür plädiert ganz eindeutig auch Claudia Wimmer. Sie steuerte ein Werk bei, das spontan große Aufmerksamkeit auf sich zog: ein knappes Dutzend "Charakterköpfe" in Gestalt liebevoll-spöttisch, augenzwinkernd bis hintersinnig verfremdeter Schutzhelme. Ob muschelbepackt oder mit Lorbeerkranz, in silbernen Stoff gehüllt oder mit Küssen übersät - "da fiele mir zu jedem sofort ein passender Mensch ein", hatten Werksangehörige gleich zu Beginn unisono festgestellt. Besonderes anempfohlen sei da noch der "Zettel-Merker", an dessen Helm Erinnerungen kleben: "Kaffee kochen!", "Brammen polieren!", "Monitore ausschalten!" - "Ausstellung besuchen!"

"Vis à vis - Industrie und Landschaft" Besichtigung der Ausstellung bis einschließlich Mittwoch, 14. Mai, montags bis freitags jeweils 8 bis 17 Uhr im Foyer des Verwaltungsgebäudes von Arcelor Mittal, Carl-Benz-Straße 37.