Von Scharen zu sprechen wäre, angesichts von gut 400.000 Bremer StromabnehmerInnen, übertrieben. Doch fest steht: Mehr SWB-KundInnen denn je wechseln zu Anbietern umweltverträglich erzeugter Energie.
Im Mai schlossen sich in Bremen die Umweltverbände Nabu, BUND, Robin Wood sowie die Aktionskonferenz Nordsee zum "Bündnis für Klimaschutz" zusammen. Zweck der Öko-Allianz: Den Protest gegen das geplante SWB-Kohlekraftwerk in Mittelsbüren zu bündeln. Die vier Verbände riefen SWB-KundInnen dazu auf, ihre Stromverträge zu kündigen und zu Ökostromproduzenten zu wechseln, die weder mit der Atom- noch mit der Kohlestromindustrie verflochten sind.
Nach Angaben des Klimaschutzbündnisses gibt es in Deutschland derzeit vier solcher Energielieferanten. Und diese verzeichnen großen Zulauf von der Weser. In den letzten drei Monaten schlossen fast 1.000 ehemalige SWB-Kunden einen Vertrag mit ihnen ab. Bei den Elektrizitätswerken Schönau machen die Neuabschlüsse aus Bremen in den Monaten Mai bis Juli "beinahe eine Verdreifachung" gegenüber dem Vorjahreszeitraum aus, das Hamburger Ökostromunternehmen Lichtblick gewinnt derzeit doppelt so viele Neukunden wie noch in den Vormonaten.
Freilich: Ökostrom liegt ohnehin gerade voll im Trend. Lichtblick beispielsweise konnte im ganzen Jahr 2006 bundesweit nur 42.000 NeukundInnen akquirieren. In den ersten sechs Monaten diesen Jahres waren es bereits 60.000. Wie viele Vertragswechsel wirklich als Protest gegen das Kohlekraftwerk gelten können, kann nur gemutmaßt werden. Dennoch: "Wir sehen unsere gute Auftragslage in Bremen in unmittelbarem Zusammenhang zu den Ereignissen bei Vattenfall, aber auch mit der lokalen energiepolitischen Debatte um das Kohlekraftwerk", sagt Lichtblick-Sprecher Gero Lücking.
Auch Robin Wood hält die Bremer Boykott-Kampagne für erfolgreich. "In den letzten Wochen haben wir an etliche hundert Wechselwillige Vertragsunterlagen versandt" sagt Robin-Wood-Sprecher Jens Bohling. Im September wolle man die Kampagne gegen das Kohlekraftwerk intensivieren - unter anderem mit "Stromwechselpartys" im Bürgerhaus Weserterassen.
Bei der SWB will man die Wettbewerbszahlen "nicht dementieren". "Wir bedauern den Verlust jedes einzelnen Kunden", so SWB-Sprecherin Marlene Odenbach. Die aktuelle Zunahme sei zwar "signifikant", doch sei die SWB der Versorgungssicherheit verpflichtet. "Und da kommt man mittelfristig um fossile Brennstoffe nicht herum." Auch die SWB biete Ökostrom an. Im übrigen sei das geplante Kraftwerk wegen des höheren Wirkungsgrades ein Beitrag zur CO2-Reduktion gegenüber alten Kohlekraftwerken, so Odenbach.
Die Kraftwerk-kritischen öffentlichen Äußerungen des grünen Umweltsenators Reinhard Loske in der vergangenen Woche (taz berichtete) habe man "wahrgenommen". "Wir setzen auf die Einhaltung des Koalitionsvertrags, der ein ergebnisoffenes Moderationsverfahren garantiert", sagt Odenbach.
Viel Zeit sollte sich die Landesregierung, wenn es nach der SWB geht, damit nicht lassen. Weltweit gibt es nur wenige Firmen, die Kohlekraftwerke bauen können. Aufgrund der regen Investitionen in diesem Sektor braucht die SWB bald Klarheit über die Genehmigung für Mittelsbüren. Der mit dem Bauunternehmen vereinbarte Termin für die Auftragsvergabe ist in sechs Wochen.
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