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Burglesum - Viel mehr als Lesmona / 2010


Stadtteilserie: Folge 13
WK - 23.10.2010

Burglesum - Viel mehr als Lesmona


Von Mario Assmann

Bremen. In Burglesum scheint mancherorts die Zeit stillzustehen, etwa in Knoops Park: Unter mächtigen Bäumen und auf verschlungenen Wegen mutet es an, als ob Magdalene Pauli gerade eben und nicht vor mehr als 100 Jahren die Briefe geschrieben hat, die unter dem Buchtitel „Sommer in Lesmona“ zu Ruhm gelangten.

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© Christian Kosak
Zwei Kinder gehen auf den Feldern in Lesum spazieren. Im Hintergrund ist die St. Martini-Kirche zu sehen.


Doch den Stadtteil macht weit mehr aus als die Erinnerung an vergangene Tage. Spezialisierte Betriebe und ein reges Kulturleben gehören ebenso dazu wie soziale Unterschiede. Wohnblocks in Marßel, Schmelztiegel für Tausende Menschen aus 50 Nationen, oder Probleme im Grambker Alwin-Lonke-Quartier sind das Kontrastprogramm zu den Villen im Grünen.

Burglesum, das sind fünf Ortsteile, die sich nicht über einen Kamm scheren lassen. Lesum als Herzstück, als Drehscheibe und kulturelles wie historisches Zentrum; das ruhige St. Magnus mit dem 65 Hektar großen Knoops Park und alten Anwesen in der hügeligen Bremer Schweiz; Burgdamm mit dichter Wohnbebauung, verkehrsgünstig gelegenen Einkaufsmöglichkeiten und dem Quartier Marßel, das mit rund 6000 Einwohnern und aufgrund seiner Struktur schon wieder eine Welt für sich darstellt. Und südlich der Lesum? Charakteristisch für das Werderland sind die großen Naturschutzgebiete, während Burg-Grambke sich selbst als „Dorf in der Stadt“ bezeichnet.

Berührt werden alle Ortsteile von der 9,9 Kilometer langen Lesum, die dem Zusammenfluss von Hamme und Wümme entspringt und den zweitkürzesten Fluss Deutschlands bildet. „Die schönste Flusslandschaft Bremens. Ein atmosphärisches Highlight“, findet der ehemalige Leiter des Bauamts Bremen-Nord, Christof Steuer.

Den von Lesum nach St. Magnus führenden Admiral-Brommy-Weg längs des Ufers – benannt nach dem Chef der ersten Reichsflotte, Karl Rudolf Brommy, der in St. Magnus seinen Lebensabend verbrachte – bezeichnet Steuer gar als „Sensation“.

Als er dies sagt, steht er am Lesum-Anleger mit „Hal över“-Fahrplan. Einst schipperten hier Handelssegler, florierte der Holzschiffbau. Wo von 1920 bis 1979 die Burmester-Werft an der Burger Brücke fertigte, hat nun die „Yachtwerft Meyer“ ihren Sitz.

Die Lesum: Grenze und Klammer


Neben ihrer verbindenden Eigenschaft hat die Lesum etwas Trennendes. Die Ortsteile am Nordufer verstehen sich als Teile von Bremen-Nord. Burg-Grambke hingegen sieht sich nicht richtig wahrgenommen und streckt seine Fühler schon mal gen Bremer Westen aus. „Wir sind weder Fisch noch Fleisch“, sagt der Heimatkundler und Küster der Grambker Kirche, Rainer Meyer.

Hinzu kommt, was der kommissarische Ortsamtsleiter Lasse Berger „wenig Querbewegung“ nennt und an einem Beispiel verdeutlicht: Viele St. Magnuser seien nie im Lonke-Quartier, viele Bewohner des Lonke-Quartiers nie in St. Magnus gewesen.

Dem Werderland dreht Ruheständler Steuer in diesem Augenblick den Rücken zu, indem er sich der Lesum ab- und dem 500 Meter Luftlinie entfernten, alten Ortskern Lesums zuwendet.

Steuer bietet sich ein herrlicher Anblick. Deich, Kuhweide und Bauernhof, dann Bäume, Häuser und der Kirchberg. Darauf thront St. Martini. 1235 erstmals erwähnt, stammt ihr Kirchenschiff von 1779.

Wer vom Haupteingang hinuntergeht, kommt in den belebteren Teil Lesums mit Marktplatz, Polizeirevier und Geschäften. Auf der Hindenburgstraße rauschen Autos, Laster und Busse vorbei. Von hier aus nicht zu sehen, aber nahe: das Ortsamt.


An der Spitze dieses Amtes steht Lasse Berger. Aushilfsweise, weil die Stellenbesetzung eine seit fünf Jahren andauernde Hängepartie ist. Berger selbst lebt seit 1973 in Lesum. „Wegen dem vielen Grün und der guten Anbindung.“

Der Stadtteil ist „bestens erschlossen“, stimmt Steuer zu. Denn: Die Bahnhöfe Lesum, St. Magnus und Burg liegen an der Strecke nach Bremen; Burg ist zudem Station auf dem Weg nach Bremerhaven.

Hinzu kommen die Autobahnen 27, 270, 281. „Ein immenser Standortvorteil“, sagt Steuer. Wobei er sich selbst zu wundern scheint, dass der A270-Verkehr über die Ihlpohler Kreuzung nahezu staufrei fließt. „100000 Bremen-Norder hängen an einer Kreuzung, und es klappt.“

Bei allem Lob auf die Infrastruktur: In den beiden letztgenannten Ortsteilen ist der Verkehr auch ein Reizthema. Anwohner des ((Heerstraßen-Zuges)) von Burgdamm bis zum Bremer Industriepark bei Grambke beschweren sich über Lärm und Schäden durch Schwerlastverkehr.

Die Lasterfahrer donnern durch den Stadtteil, um die Autobahn-Maut zu sparen, meinen die Bürger. Für Ärger sorgt zudem das Fehlen von Lärmschutz an der Bahnlinie nach Bremerhaven, auf der die Güterzüge rattern.

Pflege, Folien, Feinstvermahlung


Obwohl der Stadtteil mehr Wohnort denn Arbeitsplatz ist, mitunter als Wohnzimmer Bremens gilt, findet sich eine Reihe hoch spezialisierter Unternehmen. Mit 1400 Mitarbeitern ist die Rehabilitations- und Pflegeeinrichtung Friedehorst der größte Arbeitgeber.

Kleiner, aber nicht minder interessant sind etwa der Hersteller von Dach- und Fassadenfolien Vector Foiltec, der Produzent von elektronischen ICE-Steuerelementen FEAG und die Gesellschaft für Micronisierung, die pharmazeutische Wirk-, Hilfs- und Trägerstoffe mahlt und veredelt.

Wer Ruhe sucht, dürfte vor allem am Lesum-Ufer, im Werderland und in St. Magnus fündig werden. Dabei bietet das kleine St. Magnus einige besonders schöne Häuser und Ensembles. Die Lehnhofsiedlung und die St.-Magni-Kirche nach den Entwürfen von Eberhard Gildemeister sowie die früheren Sommersitze reicher Kaufleute sind nur Beispiele.

Und dann ist da der Knoops Park, diese Mischung aus italienischem Renaissancegarten und englischem Landschaftspark. In der dortigen Villa Lesmona erlebte Magda Pauli Ende des 19. Jahrhunderts ihren „Sommer in Lesmona“.

1951 veröffentlichte sie die Romanze als Briefroman. Und lieferte damit die Vorlage und Inspiration für das Festival der Deutschen Kammerphilharmonie im Knoops Park und den Spielfilm mit Katja Riemann.

Heute residiert in der Villa Lesmona die überregional bekannte „International Academy of Arts“ mit Galerie, Lehrveranstaltungen und Skulpturenpark. Kulturinteressierte kommen zudem in der Burgdammer Kunst-Fabrik und in der Lesumer Atelierkate, bei den Abonnementkonzerten in St. Martini und der Grambker Abendmusik auf ihre Kosten. Ein breiteres Programm bieten die Kulturinitiative Lesum (Kulle) und das Studiohaus Grambke an.

Eher der Kommunikation wird die künftige Begegnungsstätte in Marßel dienen. Für den Vorsitzenden der Sportgemeinschaft Marßel, Werner Müller, ein wichtiges Projekt, um das Miteinander in der Großsiedlung zu verbessern – noch weiter zu verbessern.

Denn obwohl auf Marßel das negative Image einer Trabantenstadt lastet, „ist die Realität positiver als der Ruf“, sagt Müller. Tatsächlich sind die Anstrengungen lokaler Institutionen so erfolgreich gewesen, dass Marßel aus der ((WiN-Förderung)) genommen worden ist.

Anders stellt sich das beim Grambker Alwin-Lonke-Quartier dar: Nach den Vorstellungen Nordbremer Politiker soll das Gebiet erst einmal in diese Förderung hinein. Das Quartier sei „ein Brennpunkt mit sozialen und baulichen Problemen“, meint auch Steuer.

So ist Burg-Grambke „nicht nur heile Welt mit Einfamilien- und Reihenhäusern“, sagt Heimatforscher Meyer. Und doch sind es eben jene Häuser, die den Ortsteil dominieren, dazu der dörfliche Charakter abseits der Hauptstraßen, ein halbes Dutzend Seen, der Handball-Sport im gerade fusionierten Sportverein Grambke-Oslebshausen und – die Nähe zum Stahlwerk ArcelorMittal im Bremer Industrie-Park.

Das Werk mit 3300 Beschäftigten ist in Burg-Grambke präsent: optisch, akustisch und durch seine Bedeutung als Arbeitsplatz. Das Stahlkochen in der Nachbarschaft, sagt Meyer und erinnert an die Anfänge mit der Norddeutschen Hütte 1908 und an das ((Klöckner-Werk)), habe mit neuen Siedlungen, Straßen und Einwohnern zu deutlichen Veränderungen geführt.

Vom Wandel infolge der Stahlwerk-Ansiedlung war das Werderland besonders betroffen: Mitte der 1950er Jahre musste das Dorf Mittelsbüren weichen. Geblieben sind nur wenige Gebäude rund um die Moorlosen Kirche.

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