Burg

Ein Besuch in der Burg im Jahre 1619

Aus 'Geschichten der Gemeinden Grambke und Büren' von Pastor Heinrich Hoops / Seiten 43 - 45
Diese Geschichte ist auch im 'Heimatbuch des bremischen Werderlandes' von Johann Hägermann, Seiten 50 - 53 nachzulesen
  • Ehedem herrschte in Friedenszeiten ein reger Handelsverkehr von Bremen nach dem Norden zu ins Erzstift. Waren nun die Frachtfuhrleute auf der Fahrt nach Bremerlehe oder zum Erzbischofssitz Bremervörde glücklich bis zur Burg gekommen, dann freuten sie sich, wenn nach der mühsamen Fahrt ihre schweren Planwagen über die Zugbrücke donnerten. Nun durften sie eine Weile rasten. Sie legten die Hand über die Augen und blickten hinauf zu dem ersten Gebäude links. Das war die alte Kirche (sie hat etwa da gestanden, wo sich heute das Gasthaus "Deutsches Haus" befindet), die mit ihrem breiten Turm und ihren drei dicken Strebepfeilern an jeder Seite gar trotzig dastand, wie es sich für eine Festungskirche ziemt. Die Fuhrleute dachten aber nicht daran, wie sehr es doch gegen allen kirchlichen Brauch verstoße, daß der Turm nach Osten und das Chor nach Westen gebaut worden war; sie waren den Burgern dankbar, daß sie brav auf eine genau gehende Turmuhr hielten, so daß ein reisender Mann doch wissen konnte, wieviel die Glocke geschlagen. Und sie nickten wohl freundlich dem Küster Clemens Bermann zu, der bedächtigen Schritts von seinem Hause daherkam, die Mittagsbetglocke zu ziehen. Behaglich lag seine Küsterei im Sonnenschein da. Mochte es auch nur ein kleines Fachwerkhaus sein, mit Stroh gedeckt, es barg doch seine Lieben, an denen sein Herz hing. Wohlgefällig ließ er, aus dem Turme zurücktretend, sein Auge auf dem vor kurzen aufs neue instand gesetzten Häuschen ruhen, das sich mit seinem schwarzen Gebälk und dem braunroten Anstrich der Füllungen freundlich aus des Gartens Grün heraushob. Dann wandte er sich, ging an der Südwand der Kirche entlang und lenkte seinen Fuß nach dem Pfarrhaus, der "Wedme" oder "Weme", wie man es damals nannte.
  • Ganz versteckt lag dieses "Wemehus", daß die Leute es von der Straße aus kaum sehen konnten; die Mauer der Burgschanze hielt es von drei Seiten eng umschlossen. Um so besser gediehen im Pfarrgarten die Äpfel und Birnen und an der Südwand des Hauses die Trauben; konnten doch die rauhen Winde kaum Eingang finden in dieses lauschige Eckchen.
  • Der Küster wollte einmal Umschau halten, wie weit die Leute, die das Pfarrhaus neu instand setzen sollten, mit ihrer Arbeit gekommen wären, wollte auch wohl in der Mittagspause gern ein vernünftig Wörtlein mit Herrn Harmen Meier, dem Pastor reden. Die Handwerker und Hilfsleute saßen und verzehrten ihr einfaches Mittagsbrot. Sie neckten einander mit derbem Humor, die aus der Stadt geholten Maurer und der einheimische Zimmermann auf der einen Seite und die Leute, die aus der Gemeinde zur Hilfsleistung herangezogen worden waren, auf der anderen.
  • Letztere taten nur ungern diese Arbeit. Sie hätten lieber auf ihren Äckern geschafft, als daß sie in der Burg Sand und Steine zur "Weme" fuhren. Die beiden mit der Aufsicht betrauten Kirchgeschworenen mußten manchen sauren Weg machen, so daß ihnen nachher aus der Kirchenkasse "ist vorehret worden ein Jeder ein Pahr schoe wegen dessen dat se hebben offt na grameke und mohre hebben lopen mötten, dat volk thom Arbeiden fördern".
  • Mittlerweile war der Pastor selbst aus der "Weme" getreten, lüftete sein schwarzes Käppchen freundlich gegen den Küster und die Leute und forderte jenen und den Zimmermeister zu einem Rundgang durch den Pfarrhof auf, um zu sehen, was überall getan und noch zu tun war. Am Pfarrhause waren die Maurer bereits tüchtig vom Fleck gekommen. Die Ziegel auf dem Dache waren nachgesehen, der Giebel und die Wände waren zum Teil frisch aufgemauert, etliche Fenster erneuert und der Viehstall im Hause ausgebessert, so daß des Pastors Kühe bei der herbstlichen Heimkehr von der Weide einen warmen Stall voefanden. Den behaglichen Kachelofen in der Wohnstube hatten die Maurer neu aufgesetzt und am Rande des idyllisch umrankten Pfarrbrunnens einige der vom Moose herausgedrängten Steine durch neue ersetzt. Der Pastor gab seiner Freude über die schnelle Förderung der Arbeiten Ausdruck.
  • Dann wandte man sich der Besichtigung der nahegelegenen Pfarrscheune zu, deren Fachwerkwände große Löcher aufwiesen. Aber schon waren fleißige Hände dabei gewesen, die Fächer durch Flechtwerk aus dicken Weidenruten neu auszufüllen; man hatte das Heu, das Herr Harmen geliefert, mit den Füßen in Lehm gestampft und bereits damit begonnen, diese zähe Masse dem Flechtwerk aufzudrücken. Auch der Schweinkofen und das "heimlich Gemach" daneben waren gebührend ausgebessert worden.
  • In wenigen Tagen konnte die gesamte große Verbesserung auf dem Pfarrhofe beendet sein, und getrost konnte Herr Pastor Harmen Meier den Unbilden des Winters entgegensehen.
  • Inzwischen ließen die Kirchspiels- und Arbeitsleute sich das auf Kosten der Kirchenkasse gelieferte leichte Weiß- und Rotbier wohlschmecken. Verschiedene leere Fässer zeigten, daß die Leute auch die Tage vorher einen rechtschaffenen Durst bewiesen hatten. Der Rechnungsführer mag hernach nicht wenig gebrummt haben, als er bei einem Kostenpunkt der gesamten Arbeiten von 214 Reichstalern für Weiß- und Rotbier 38 Bremer Mark und 37 Grote verzeichnen mußte. Welche Regentonnen voll Bier muß man nach dem damaligen hohen Geldwert für diese Summe zu kaufen vermocht maben!
  • Der Rundgang unsrer drei war beendet; der Zimmermeister kehrte zu seinem unterbrochenen Mittagsmahl zurück; der Pastor aber schlenderte mit dem Küster ein wenig der Lesumbrücke zu. Die Einwohner saßen meist zu Tisch und blickten durch die kleinen Fensterscheiben, wenn jene beiden am Hause vorüberkamen. Die meisten Häuser lagen auf der Ostseite der Straße, nämlich sieben größere und zwei kleinere in einer Reihe und ein zehntes etwas weiter nach hinten zu in einer Nische der Schanze. Auf der Kirchseite lagen nur außer der Kirche vier Wohnhäuser. An ihnen gingen unsre beiden Spaziergänger vorüber der eigentlichen, stärker befestigten Burgschanze zu, schritten über die zweite Zugbrücke und durch die Doppelmauer in den inneren, engen Burgraum, lißen links die Kommandantur samt ihrem Nebengebäude und rechts das Zollhaus liegen und wanderten bis auf die Lesumbrücke, die, auf fünf hölzernen Pfeilern ruhend, die Verbindung mit dem Erzstift ermöglichte. Nachdem sich ihr Auge ein wenig an dem herrlichen Blick auf den Fluß und die Höhe von Lesum mit der stattlichen Kirche gelabt, wandten sie sich plaudernd wieder dem häuslichen Herd zu, an dem die Hausfrauen ihnen inzwischen auch das Mittagessen gerüstet.