Insgesamt 181 Luftangriffe erlebt Bremen im Zweiten Weltkrieg, fast zwei Drittel der Wohngebäude werden dabei zerstört. Die akute Wohnungsnot prägt in der Nachkriegszeit den Alltag vieler Bürger, denn der Wiederaufbau zieht sich – auch wegen des Mangels an Baumaterial – in die Länge. Ausgebombte Bremer und Zuwanderer suchen Zuflucht in Barackensiedlungen am Rande der Stadt. Über Jahre fristen sie hier ein Dasein unter widrigen Umständen – mit vielen Personen in kleinen Bruchbuden ohne fließendes Wasser und Heizung.
Durch den Zustrom von Rückkehrern, Flüchtlingen und Vertriebenen spitzt sich die Situation immer weiter zu. Allein zwischen 1945 und 1948 steigt die Zahl der Einwohner in Bremen von 290 000 auf 417 000. Das klassische Bremer Haus erweist sich in dieser Lage als vorteilhaft, weil es auf engstem Raum mehreren Parteien genügend Platz bietet. In den instand gesetzten Häusern entstehen bis zur Währungsreform im Jahr 1948 etwa 6000 Wohnungen.
Tausende von Bürgern haben inzwischen auch Wilhelm Kaisens „Verordnung zu Notwohnungen“ von 1945 zum Anlass genommen, die Parzellenbuden in den Kleingartengebieten zu kleinen Häusern auszubauen. Trotzdem stehen immer noch viele Menschen auf der Straße. Ihnen bleiben oft nur die Elendsquartiere – zum Beispiel das Barackenlager Grönlandstraße in Grambke.

In den Buden friert das Wasser

Hier gibt es weder befestigte Wege noch ausreichende sanitäre Anlagen. Die Unterkünfte sind nicht wetterfest: Bei Frost gefriert das Wasser in den zugigen Bretterbuden und Wohnwagen, im Sommer ist die Luft stickig und heiß. Das Schmutzwasser kippen die Bewohner aus dem Fenster. Nahe der Kloake spielen Kinder. Trotzdem harren viele Menschen – darunter auch Familien – mehrere Jahre in den spartanischen Behausungen aus.
„Das Wohnungselend in den Baracken an der Grönlandstraße ist eines der dunkelsten Kapitel der Nachkriegszeit“, beklagt ein SPD-Bürgerschaftsabgeordneter im Februar 1953. Im Oktober desselben Jahres beschließt die Deputation für das Wohnungswesen, Ein- und Zweiraumunterkünfte mit „Außenklosett, einfacher Herdstelle und notwendigster Elektroinstallation“ zu errichten. Diese „Einfachstwohnungen“ sollten auch für „asoziale und hygienisch nicht zumutbare Mieter“ geeignet sein, die mitunter per Richterspruch zur Räumung ihrer früheren Bleibe verurteilt wurden und danach im Lager gestrandet sind. 7,7 Millionen Mark werden für das Projekt beantragt.
Allein in der Grönlandsiedlung leben nach Informationen unserer Zeitung zu diesem Zeitpunkt noch knapp 200 Erwachsene und Kinder: „77 Heimatvertriebene, 112 Hiesige und acht Staatenlose“. Obwohl der Staat für den Unterhalt dieses Lagers jährlich 20 000 Mark aufbringt, herrschen katastrophale hygienische Zustände.
Bis zum Jahr 1955 werden in Bremen mehr als 60 000 Wohnungen fertiggestellt. Rein statistisch ist dadurch der Verlust der zerstörten Wohnungen ausgeglichen, aber der Wohnungsbau kann trotzdem mit dem rasanten Bevölkerungszuwachs nicht Schritt halten: Inzwischen hat die Stadt 507 000 Einwohner.
Die Barackenbewohner zum Umzug in komfortablere Unterkünfte zu bewegen, erweist sich trotzdem als schwierig. Viele der potenziellen Mieter sind gar nicht bereit oder imstande, für die Miete monatlich 36 bis 65 Mark aufzubringen. Für ihre Bretterbuden zahlen sie schließlich nur zwischen 18 und 28 Mark.

Nissenhütten, Bunker, Wohnlauben

Ein Mitarbeiter des Bremer Wohnungsamts mutmaßt, im Zuge des „sogenannten Wirtschaftswunders“ hätten viele Lagerbewohner ihr Geld in jahrelangen Ratenzahlungen für Mopeds, Fernsehgeräte oder Kühlschränke festgelegt, eine normale Wohnung sei für sie deshalb unerschwinglich. Auch die Grönlandsiedlung habe inzwischen nur aufgelöst werden können, weil fast zwei Drittel der dort lebenden Familien in andere Elendsquartiere umgesiedelt worden seien. Bis auf die Anschrift habe sich für diese Menschen nichts geändert.
Tatsächlich wohnen noch im Jahr 1960 mehr als 23 000 Menschen in Behelfsunterkünften. Sie leben in Nissenhütten, Bunkern, Wohnlauben, Wellblech- und Bretterbuden, Garagen, Wohnwagen und Ruinen. Aber allmählich normalisiert sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt.
Die beiden Wohnungsgesellschaften „Gewoba“ und „Brebau“ vollenden im Jahr 1962 den ersten Bauabschnitt ihres Großprojektes auf dem Marßeler Feld. Bis dato sind hier 166 Einfamilienhäuser, 1786 Wohnungen, 557 Garagen, zwei Heizungshäuser und zwei Waschhäuser entstanden. Die ersten Bewohner sollen bereits im Dezember einziehen. Den Menschen im Barackenlager Marßel wird zum Juni 1963 gekündigt. Danach soll das Gelände mit dem Wald den künftigen Anwohnern als Erholungsgebiet dienen.