Walfischjagd


Der Wallfisch und der Wallfischfang

EIN (UNGEHEUER-LICHER) BERICHT ÜBER DEN WALFANG

AUS DER " ILLUSTRIRTE ZEITUNG" VOM 16. AUGUST 1845

  • (Originaltext)


Ihrer Menge und ihrer Stärke vertrauend würden die Wallfische die alleinigen Herrscher in dem ihnen von der Vorsehung zum Wohnsitze angewiesenen unermeßlichen, aber rauhen und öden Reiche geblieben sein, wenn der Mensch nicht einen Krieg auf Tod und Leben gegen sie begonnen hätte.

Der Mensch, selbst in den entlegensten Theilen der Welt Dinge aufsuchend, die ihm irgend einen Nutzen schaffen können, entdeckte bald in jenen riesenhaften Thieren eine reiche Quelle zur Abhülfe seiner Bedürfnisse.

Ein köstlicher Fund waren ihm die ungeheuern Massen von Thran, welcher aus dem Wallfischspecke gewonnen wird; einen nicht minder reichen Schatz boten ihm die Barten dar, welche das so nützliche Fischbein liefern, und zwar von einem großen Wallfische nicht selten 3360 Pfund.

Das Fleisch des Wallfisches ist für manche Bewohner der nördlichen Küsten von Europa, Asien und Amerika ein vorzügliches Nahrungsmittel. Die Eskimos trinken auch das Wallfischöl mit Begierde. Sie essen die Haut des Wallfisches roh; wenigstens hat man oft gesehen, daß, wenn die Weiber der Eskimos die europäischen Wallfischfänger besuchen, sie um ein Stück Haut bitten, besonders um ein solches, an dem noch Speck sitzt, um es ihren Kindern, die auf ihrem Rücken hängen, zu geben, die es dann mit dem besten Appetite aussaugen.

Wenn der Speck übrigens eingepökelt und gekocht wird, soll er recht gut schmecken, auch der Schwanz soll bei gehöriger Zubereitung nicht übel schmecken und das Fleisch eines jungen Wallfisches, von allem Fette gereinigt, auf dem Roste gebraten, schmeckt etwa wie derbes Rindfleisch und läßt sich also auch recht gut essen.

Die Indianer und Eskimos benutzen auch andere Theile des Wallfisches; ja, manchen Völkerstämmen sind die Därme ein Hauptartikel zu ihrer Kleidung und das Bauchfell dient ihnen wegen seiner Durchsichtigkeit zu Fensterscheiben; die Knochen werden zu Harpunen, Zeltstützen oder zum Gerippe ihrer Boote usw. angewendet. Die in Fäden gespaltenen Sehnen brauchen sie als Zwirn und nähen damit theils die Häute an ihren Booten und Zelten an, theils ihre Kleidung, die sie gar nett und geschickt zu nähen verstehen.

Sobald der Mensch seine Entdeckungsreisen bis in die Gewässer des hohen Nordens ausdehnte, konnte ihm ein so großes Thier nicht lange entgehen, und die Vortheile, welche aus dem Fange desselben entspringen mußten, bald ins Auge fassend, suchte er sich desselben zu bemächtigen und ein besonderes Angriffssystem zu ersinnen.

Image


Die Schiffe, welche zum Wallfischfange ausgerüstet werden, sind gewöhnlich große Dreimaster von 400 bis 500 Tonnen, mit allen Bedürfnissen sorgfältig versehen und so ausgerüstet, daß sie den Stürmen, Eisblöcken usw. widerstehen können. Die dem Eise am meisten ausgesetzten Theile sind mit doppelten und selbst dreifachen Planken versehen und außerdem sind sie auswendig durch Eisenplatten und inwendig durch Stützen und Kreuzbalken, die einander unterstützen, verstärkt. Die Holländer sind der Meinung, daß ein solches Schiff 112 Fuß lang, 29 Fuß breit und 12 Fuß tief sein müsse. Die Schiffsmannschaft besteht aus etwa 30 bis 50 Mann.

Die französischen Schiffe hatten sonst zwei Capitains, einen, der das Obercommando führte und das Schiff an die Ankerplätze brachte, und einen, der alle Geschäfte, die sich auf die Fischerei selbst und auf die Zerlegung des Thieres beziehen, zu leiten hatte; da diese Theilung der Obergewalt aber bald Ursache vieler Streitigkeiten und Unannehmlichkeiten wurde, vereinigte man Beide in einer Person. Vier bis fünf Offiziere, ein Wundarzt, ein Zimmermann, zwei Böttcher, ein Schmied, ein Koch machen außer den Matrosen, von denen ebenfalls jeder seine besonderen Geschäfte hat, die übrige Mannschaft aus.

Jedes Schiff führt 6 bis 7 Böte mit sich, die sehr leicht und zu dem Wallfischfange besonders gebaut sind; denn schnell wie ein Pfeil sollen sie über das Meer dahinfliegen und zu jeder plötzlichen Wendung geschickt sein. Die französischen Wallfischboote sind 25 bis 26 Fuß lang, 4 Fuß 10 Zoll breit und unter den Schifferbänken 10 Zoll tief, als Steuerruder haben sie ein 21 bis 22 Fuß langes Bret, das vom Chef des Bootes gelenkt wird. Die fünf Ruder sind 16 bis 19 Fuß lang und sehr dauerhaft. Jedes Boot hat einen Chef, der auf demselben die Befehle austheilt, und einen Harpunier, der ebenfalls im Range über den gewöhnlichen Matrosen steht. Sobald das Meer gewonnen ist, wird eine Reihenfolge ausgeschrieben, nach welcher die Wallfischboote einander folgen sollen, dann bekommt jeder Harpunier 20 Harpunen, 6 Lanzen, 2 scharfe Schaufeln, mehrere Schiffsmesser, Hacke und einen großen Vorrath von Stielen zu diesen Werkzeugen, außerdem noch eine hinreichende Menge dünner Taue.

Das wichtigste dieser Werkzeuge ist die Harpune, das ist ein eiserner Pfeil mit einem stumpfen Winkel von etwa 120° an der Spitze. Die schneidenen Seiten sind 3 Zoll hoch. An der etwa 6 Linien dicken Basis befindet sich ein dünner Eisenstab, in welchen der hölzerne Griff gesteckt wird, mit dem man geschickter die Harpune handhaben kann. Das Metall muß geschmeidig sein, damit es sich nach allen Richtungen hin biegen kann, ohne zu brechen, und man mit wenigen Hammerschlägen ihm seine vorige Form wiedergeben kann, und wäre es selbst wie ein Korkzieher gebogen. Die Harpunen sind mit den dünnen Tauen verbunden und dienen nicht sowohl zum Durchbohren oder Tödten des Wallfisches, als vielmehr zum Befestigen in seinem Körper und zum Verhüten seines Entkommens.

Jedes Boot hat etwa 6 Taue, die zusammen über 4000 Fuß lang sind. Die Schiffe gehen in der Regel zu einer Zeit unter Segel, daß sie zu Anfang April die schetländischen Inseln verlassen, und vor Ende des Monats in den Polargewässern eintreffen können. Sobald sie in den Gegenden, wo die Wallfische sich aufhalten, angekommen sind, muß Tag und Nacht die größte Wachsamkeit beobachtet und die Böte müssen an den Seiten des Schiffes ausgehängt und in Bereitschaft zu augenblicklicher Benutzung gesetzt werden. Wenn es der Stand des Meeres erlaubt, wird auch wohl sofort ein Boot ausgesetzt, bemannt und ins Schlepptau genommen.

Sobald sich ein Wallfisch wahrnehmen läßt, wird sogleich das Zeichen zum Aufbruch gegeben: ein Wall! ein Wall! - franz. Baleine, engl. whale, holl. val, was zugleich die Eile bezeichnet - ruft die Wache, und sogleich setzt sich ein Boot in Bewegung und andere folgen ihm in größter Eile und unter großem Alarm. Man nähert sich dem Ungeheuer, der Chef lenkt das Boot, der Harpunier schwingt seine schlanke, leichte Waffe, auf den Befehl des Chefs durchschneidet sie die Luft und trifft das Thier. Dieses schlägt furchtbar mit seinem Schweife umher und wehe dem Fahrzeuge, das von ihm getroffen wird, denn es wird unfehlbar von ihm zerschmettert. Mit ungeheurer Schnelligkeit flieht der Wallfisch, hinter sich her die Siegerbarke schleppend; denn an der Harpune war ja jenes Tau befestigt, das nun dem Boote als Schlepptau dient. Abwechselnd taucht der Wallfisch und steigt wieder in die Höhe, bis er endlich erschöpft noch einmal aufsteigt, um zum letzten Male Luft zu schöpfen. Dieser Zeitpunkt ist es, wo der Chef das Hintertheil des Bootes an die Brust des Thieres anlegen läßt und das blutige Schauspiel dadurch beendigt, daß er eine jener langen vierschneidigen Lanzen in die Lungen stößt. Dieser Stoß muß aber tief und schnell geschehen; denn die letzten Todeszuckungen sind nicht weniger zu fürchten bei einem solchen Thierkolosse, das jetzt Ströme von Blut ausspritzt und seinen Körper hin- und herrollt.

Oft verlängert sich die blutige Scene bis zu einigen Stunden; und um den Augenblick des Todes zu beschleunigen, wagt man dann den Wall mit neuen Harpunen, Lanzen und scharfen Schaufeln anzugreifen. Die letzteren dienen vorzüglich dazu, die Schnelligkeit des Thieres auf der Flucht zu beschränken. Zu wiederholten Malen bemüht sich der Harpunier, mit dieser Waffe an derjenigen Stelle das Thier zu treffen, wo der Schwanz in den Körper übergeht, und gelingt es, ihm hier eins der größeren Blutgefäße zu zerschneiden, so ist seine Schnelligkeit fast um die Hälfte gemindert. Diese ist übrigens so bedeutend, daß er sieben Metres in einer Secunde durcheilt und also schneller als die Passatwinde dahin braust. Sein wichtigstes Werkzeug dabei ist sein Schwanz; mit ihm, als dem Hebel seiner Schwungkraft, erschüttert, zerschmettert, vernichtet er alle ihm in den Weg kommenden Gegenstände, er ist sein Ruder, sein Steuer und seine Waffe zugleich. Eine Kanonenkugel hat zwar eine hundert Mal größere Schnelligkeit und Kraft, da aber der Umfang ihrer Körpermasse wenigstens 6000 Mal kleiner ist, so beträgt ihre Kraft auch nur den 60. Theil der Stärke, welche der Wallfisch besitzt. Der Stoß oder Schlag eines solchen Seeungeheuers hat folglich so viele Kraft als der von 60 auf einmal abgeschossenen Achtundvierzigpfündern.

Wie fürchterlich muß also die Gewalt und wie entsetzlich die Schnelligkeit sein, mit welcher das Wallfischungeheuer wirkt und seine furchtbare Körpermasse in Bewegung setzt, und man kann sich nach allem diesem wahrlich nicht mehr wundern, wenn wir von Wallfischfahrern vernehmen, daß dieses Ungeheuer nur unterzutauchen und mit einiger Heftigkeit unter dem Schiffe sich emporzuhe-ben brauche, um dasselbe aus seinem Gleichgewichte zu bringen und mit seiner Last in die Tiefe des Meeres zu versenken, oder daß es mit einem einzigen Schlage seines Schwanzes ein Boot in die Höhe zu schleudern oder zu zerschmettern vermag.

Ungeachtet aller dieser und vieler anderer Gefahren, welchen die Wallfischjäger ausgesetzt sind, erblickt man doch kein Zeichen von Furcht, alles setzt sich vielmehr den Gefahren mit der größten Kühnheit aus, alles ist in der größten Spannung, und wenn sie etwas fürchten, so ist es nur das Eine, daß der Wallfisch nach der Windseite hinfliehen könnte. Doch endlich stirbt er, eine Flagge wird auf dem Boote oder auf dem Riesenthiere selbst aufgesteckt, von allen Booten ertönt ein lautes Hurrah und die Schiffsmannschaft, welche sich genähert hat, wenn der Kampf auf offenem Meere geschah, antwortet mit gleichem Jubelrufe.

Ist aber das Schiff in irgend einer Bucht und hat es von weitem die Bewegungen des Wallfisches beobachtet, so kehren die Boote zu demselben zurück, den Wallfisch ins Schlepptau nehmend, ein oft gar beschwerlicher Transport. Sobald sie bei dem Schiffe angekommen, geht die Mannschaft der Boote an Bord, die Boote selbst werden aufgezogen, indeß der Wallfisch an die Seite des Schiffs, gewöhnlich ans Steuerbord, gebracht worden ist, sorgsam am Schwanze durch eine Kette befestigt.

Auf der Reise war das weiße Segelwerk eingezogen worden und während des Schlachtens bedient man sich nun blos des Marssegels. Die Franzosen schmelzen, wie die ersten baskischen Wallfischfänger, den Speck sogleich aus, und erhalten dadurch einen sehr guten Thran. Sowohl das Ablösen des Specks, wie das Ausschmelzen desselben über dem Feuer geht jedoch nicht immer ohne Unglücksfälle ab. Eine der dicken Specklagen kann losreißen und einen Menschen niederschlagen und durch das Schmelzen des Specks kann bei Mangel an Vorsicht leicht Feuer auskommen. Diese letzte Gefahr erschreckte die Holländer so, daß sie den Speck erst am Lande ausschmelzen.

Was das Lostrennen des Specks von dem Körper des Thieres betrifft, so geschieht dies mit Schaufeln, welche blos an einer Seite scharf sind. An den Spitzen der Segelstangen werden Zugwinden befestigt. Einer der Arbeiter steigt hinab auf den Wallfisch und umgiebt eine der Flossen mit einer Kette, die an ihren Enden mit Ringen versehen ist und an die Winde befestigt ist. Die langstieligen Schaufeln stoßen die Matrosen vom Bord des Schiffes taktmäßig so lange ein, bis eine breite Lage Speck sich mit der ersten Flosse, die mit der Kette umwunden war, erhebt. Der Wallfisch wird nun gewendet, und kaum ist jenes Stück Speck oben angekommen, so wird auch sogleich ein neues vorgenommen; das erstere aber wird am Bord in kleinere Theile zerschnitten.

Überhaupt herrscht nun auf dem Verdecke eine besondere Thätigkeit. Zuletzt muß auch der Kopf getrennt werden, es steigen mehre Männer herab, die Arbeit ist wegen der riesenmäßigen Knochen gar schwierig, allein der Muth und die Ausdauer dieser kühnen Seefahrer lassen alle Schwierigkeiten überwinden und der Kopf wird glücklich gelöst. Der ungeheure Oberkiefer wird ganz an Bord genommen, um darauf die Barten zu lösen.

Der Speck wird lagenweise in Streifen von etwa 3½ Fuß Breite, 10 bis 14 Zoll Dicke und 18 bis 20 Fuß Länge zuerst ins Zwischendeck gebracht, dort, wie wir schon bemerkten, in kleinere Stücke zerschnitten, und dann am Fuße des Fockmastes über den mit Speckgrieben geheizten Oefen in großen Kesseln ausgeschmolzen. Dies Schmelzen geschieht bei Nacht unter fröhlichem Singen, und wenn man den feurigen Ofen, die dampfenden Kessel um sie herum die vom Thrane triefenden, vom Dampfe geschwärzten menschlichen Gestalten sieht, so kommt man fast in Versuchung, zu glauben, daß man die Hölle vor sich habe mit ihren satanischen Bewohnern, die hier ihr nächtliches Wesen treiben.

Im Schiffsraume werden nach dem Schmelzen die Thranfässer verpackt. Die Kisten von Eisenblech , die bisher Wasser enthielten, werden mit Thran gefüllt, und nun müssen sich die Wallfischfahrer mit ihrem Proviante oft traurig bis zu Ende behelfen; dennoch sind sie fröhlich, wenn nur der Fang gut ausgefallen ist.

Um den ganzen Schiffsraum mit Thran auszufüllen, braucht man 20 bis 30 Wallfische, gewöhnlich erlangt man aber kaum die Hälfte. Im südlichen Eismeer, wo die Fahrt viel länger dauert, müssen die Wallfischfahrer oft an den Ankerplätzen einen Theil ihres Thranes verkaufen, um sich das, was ihnen fehlt, wieder verschaffen zu können. - Wir haben übrigens hier das Verfahren französischer Schiffe geschildert. Das der Holländer und Engländer weicht davon nur wenig ab.

»Nachdem der Capitain die Matrosen durch Branntwein und Rum gestärkt hat und die Hauptpersonen, die Speckkönige, welche den Speck und das Fischbein in Empfang nehmen und im Schiffsraume verpacken müssen, eine doppelte Ration erhalten haben, der Wallfisch auch bereits ans Schiff bugsirt worden ist, beginnt unter Aufsicht und Leitung des Speckausschneiders das Ausschneiden, und zwar wird zunächst ein kreisförmiger Schnitt zwischen dem Nacken und den Floßfedern des Thieres gemacht und dieser bildet den Ausgangspunkt für die übrigen Operationen.« Auch wird daran eine Winde befestigt, um den todten Körper desto leichter nach allen Seiten drehen zu können. die Harpuniere beginnen jetzt mit den scharfen Spaten und großen Messern ebenfalls lange Streifen Speck loszuschneiden, die-se werden dann in Stücke von der halben Länge eines Fasses geschnitten und auf das Verdeck gebracht, wo sie in noch kleinere Theile zerschnitten und von zwei Speckkönigen verpackt werden.

So lange die holländische Niederlassung in Schmeerenberg noch blühte, wurde der Speck sogleich in Thran verwandelt, nachdem aber die Fischerstationen in eine große Ferne von dort verlegt worden waren, mußte er nothwendiger Weise in Fässer verpackt und nach holländischen oder britischen Häfen gebracht und dort gekocht werden.

Sind übrigens die Ausschneider mit dem über das Wasser sich erhebenden Thiere fertig, so wird die Winde in Bewegung gesetzt und ein anderer Theil des Körpers nach oben gebracht, und so fährt man fort, bis sich kein Speck mehr vorfindet.

Nachdem nun das Fischbein an Bord gebracht, wird der übrige Theil des Wallfisches, der aus Fleisch, Knochen usw. besteht, den Wellen und den Scharen von Raubvögeln und Haifischen überlassen, die längst schon auf diese Beute lauerten.
{BOX}