Weser Kurier vom 24.06.2007


50 Jahre Stahl aus Bremen


GRAMBKE. Die Hütte am Meer ist 50 Jahre alt. Dann gibt es noch ein nagelneues Verwaltungsgebäude und seit dem 1. Juni auch einen neuen Namen: ArcelorMittal. Drei gute Gründe, weshalb die Unternehmensleitung mit ihren rund 3600 Beschäftigten und deren Familien richtig Party machen will. Vom 28. Juni bis zum 1. Juli wird gefeiert. Die Öffentlichkeit wird im August zum Hüttenfest eingeladen, das diesmal, dem Anlass "50 Jahre Stahl aus Bremen" entsprechend, üppiger gestaltet wird.

Ein Team bereitet schon seit Wochen das große Event vor. "Auf Wunsch der Unternehmensleitung wurde ausdrücklich der Schwerpunkt darauf gelegt, mit den Mitarbeitern zu feiern", geht Pressesprecher Dirk Helm auf den Arbeitsauftrag des Teams ein. Die Mitarbeiter hätten schließlich das Unternehmen durch alle Täler begleitet und auch extreme Einschnitte hingenommen. Er spielt auf die wechselvolle Geschichte des Werkes an, das fünf Jahrzehnte lang Höhen, aber auch ganz große Tiefs erlebt hat. Besonders die 1980er bis 1990er Jahre waren für die damals noch zu Klöckner (Mutterhaus in Duisburg) gehörenden Bremer Hütte hart. Sie stand vor dem Aus.

Dabei hatte es in den 50er Jahren so hoffnungsvoll begonnen. Am 13. Juni 1957 stellte die Klöckner-Hütte Bremen erstmals hochwertigen Stahl her. Gut zwei Jahre nach dem ersten Spatenstich in Grambke. In dem Jahr gehen zwei Siemens-Martins-Öfen in Betrieb, Schiffsliegeplätze entstehen, das Gelände wird an das Schienennetz angeschlossen, und im Februar 1960 wird die millionste Tonne Rohstahl im Stahlwerk erschmolzen. (Im vergangenen Jahr wurde die Rekordmarke von 100 Millionen Tonnen erreicht).Es geht innovativ bis Mitte der 60er Jahre weiter. Weil in der Region keine Arbeitskräfte zu finden sind, weiß Helm, fuhr der damalige Personalchef in die Türkei und motivierte türkische Männer, in Bremen zu arbeiten. Heute besteht die Belegschaft aus rund 40 Nationen, wobei die Türken den größten Anteil ausmachen.

1965 beginnt das, was fortan immer wieder aus unterschiedlichen Gründen passiert. Aufgrund von Absatzschwierigkeiten wird für die damals 1700 Beschäftigten Kurzarbeit angeordnet. Weltweite Überkapazitäten, ein ruinöser Wettbewerb, Preisverfall, Krisen auf dem deutschen, europäischen und weltweiten Stahlmarkt, Konkurrenz aus Asien und dem ehemaligen Ostblock bringen in den vergangenen fünf Jahrzehnten immer wieder harte Zeiten für die Belegschaft und die Firma. "Die ganze Firmengeschichte besteht aus Krisen. Stahl unterliegt nun mal den Schwankungen auf dem Weltmarkt", kommentiert Helm das konjunkturelle Auf und Ab.

Damit einher gehen Entlassungen, Lohnkürzungen und andere Einschnitte, auch harte Arbeitskämpfe und Tarifauseinandersetzungen, Großkundgebungen und Demonstrationen. Richtig dicke kommt es dann, wie schon gesagt, in den 1980er bis 1990er Jahren durch die deutsche Stahlkrise. Bundeswirtschaftsministerium und Stahlproduzenten setzen Stahlmoderatoren ein, um die Branche zu retten. Klöckner entwickelt eine Strategie für das Bremer Werk, das Land Bremen beteiligt sich mit 71 Millionen Mark Strukturhilfe. Klöckner will 1994 mit Hoesch und Salzgitter fusionieren. Das geht aber schief. Wieder folgen Konsequenzen für die Mitarbeiter. Zum Beispiel werden Frühverrentungen und Prämien für türkische Männer angeboten, die freiwillig in die Heimat zurückkehren wollen. Immer wieder gibt es Fusionspläne, die scheitern.

Der Mutterkonzern gerät in massive finanzielle Schwierigkeiten, will sich ganz aus dem Stahlgeschäft zurückziehen, steht vor dem Konkurs, und damit geraten auch Anfang der 1990er Jahre rund 6000 Arbeitsplätze sowie 2000 in der Zuliefererindustrie in Gefahr. Die ganze hiesige Region zitterte. "Denk ich an Klöckner in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht", reimte damals Klaus Hilker, Vorstandschef von Klöckner Stahl, in Anlehnung an Heinrich Heine. Er stieß das so genannte Bremer Interessenmodell an. Es sah vor, dass Stadtwerke, Hegemann-Gruppe, Bremer Vulkan und die landeseigene Hanseatische Industriebeteiligungen (Hibeg) einen Teil der Klöckner-Anteile kaufen und einen europäischen Partner ins Boot nehmen.

Am 13. April 1994 wurde im Rathaus der Kooperationsvertrag mit der belgischen Sidmar, Tochter des Arbed-Stahlkonzern, unterschrieben. Das Land Bremen stieg mit 30 Prozent in das Unternehmen ein. Die Stahlwerke Bremen wurden geboren. Später übernahm Sidmar weitere Anteile aus Bremer Hand und stockte auf 75 Prozent auf. Bis 2001 ging es dann wieder Auf und Ab. Einstellungen und Investitionen, Kurzarbeit und Stellenabbau. Der Arbed-Stahlkonzern ging in die Knie und im Stahlriesen Arcelor auf. Damit wird die Bremer Hütte ein Teil der Nummer 1 auf dem Weltmarkt. Ende 2004 verkauft das Land seine Anteile an den Arcelor-Konzern, der wiederum nach einem heftigen Kampf im Juni 2006 das Übernahmeangebot von Mittal Steel akzeptiert. Seit dem 1. Juni 2007 heißt nun die Hütte am Meer "ArcelorMittal", vier Wochen davor wurde das neue Verwaltungsgebäude bezogen.

Im Bremer Werk wird heute Flachstahl produziert, zu 40 Prozent für die Automobilindustrie, aber auch für die Bauindustrie oder Haushaltsgerätehersteller. In der BREGAL, der Tochterfirma auf dem Stahlwerke-Gelände im Industriepark Bremen, stehen die Verzinkungsanlagen, mit denen die Bleche nach den Kundenwünschen maßgeschneidert werden. "Heute", erzählt Pressesprecher Helm, " gehören wir zum weltweit größten Stahlhersteller mit 320 000 Mitarbeitern in 61 Werken in 27 Ländern". In Bremen wurden bis 2006 rund 3,4 Millionen Tonnen Rohstahl produziert. Der Umsatz betrug in 2005 rund 1,4 Milliarden Euro.50 Jahre Stahl aus Bremen und die Einweihung des neuen Verwaltungsgebäudes werden am 28. Juni mit einer Reihe von Gästen gefeiert, darunter auch Bürgermeister Jens Böhrnsen. Für die Beschäftigten und ihre Angehörigen wird vom 29. Juni bis zum 1. Juli ein Programm angeboten. Die Bevölkerung wird am letzten Wochenende der Sommerferien, Sonnabend, 25. August 2007, 10 bis 18 Uhr zum Hüttenfest eingeladen.