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Die Anspannung auf der Baustelle ist vorbei



GRAMBKE. Die Anspannung ist weg. Das ist deutlich zu spüren. Auch sonst ist die Baustelle auf dem ArcelorMittal-Gelände kaum wiederzuerkennen. Die Neuzustellung von Hochofen drei hat die Hochphase überschritten. Der neue Kern ist schon eingebaut. Nun werden die Feinarbeiten erledigt. Bis Mitte November soll die Montage erledigt sein. Dann beginnt langsam die Inbetriebnahme.

Im August herrschte Hochbetrieb (wir berichteten) auf der Baustelle. Es war die Hochphase der Bauarbeiten. Der Verschleiß von Hochofen drei ist nach 21 Jahren so weit gediehen, dass für Ersatz gesorgt werden muss. Für rund 64 Millionen Euro erhält die Anlage ein neues Inneres. Das ist ein hochkompliziertes Unterfangen, das Monate dauert. Im April hat man mit den Vorbereitungen begonnen, Ende Juni begannen die Abbrucharbeiten.

Bis zu 1000 Leute auf der Baustelle

Der den Hochofen drei umhüllende Stahlpanzer, wurde mühsam von Abbruchspezialisten fein säuberlich aus der Anlage herausgetrennt - und abgefahren. Parallel dazu liefen schon die diversen Vorbereitungen für die Montage des neuen Ofenpanzers. Stahlbauer schweißten die einzelnen Segmente zu Ringen zusammen, Rohrleitungen wurden zusammengebaut - es herrschte rege Betriebsamkeit auf der Baustelle. "In der Hochphase waren bis zu 1000 Leute hier", schätzt ArcelorMittal-Sprecher Dirk Helm. Nun sind es noch gut die Hälfte von diversen Firmen aus dem In- und Ausland. Es wirkt aber alles viel entspannter.

"Ja", bestätigt Helm, "die großen Aufgaben sind erledigt. Nun geht es um die Restarbeiten und jeder kennt seine Aufgaben." Reinhard Zappel, einer der ArcelorMittal-Sicherheitschefs, macht diese "euphorische Phase" aber schon wieder nervös. Seine größte Sorge ist, dass die Arbeiter mit Blick darauf, das Gröbste geschafft zu haben, unachtsam werden könnten. Bisher ist er aber überaus zufrieden. Das aufwändige Sicherheitskonzept habe gegriffen. "Es gab ein paar Kleinigkeiten in der Art, wie sie auch im Haushalt passieren. Mal hat sich jemand mit dem Hammer auf den Daumen gehauen und so ähnlich. Zum Glück aber gab es keine Unfälle mit schweren Folgen."

Kraxeln ist nötig

Es wird aber auch weiterhin sehr viel getan, um Unglücke zu verhindern. So hat man im bereits fast ganz mit feuerfesten Steinen ausgemauerten und in die Anlage eingepassten neuen Hochofen mehrere Zwischenbühnen als Schutz für die Arbeiter eingezogen, die noch oben, in der Mitte und unten im Herzstück beschäftigt sind. So kann von oben nichts auf die Köpfe der unten Beschäftigten fallen. Zugleich dienen die Bühnen als Arbeitsplattformen, auf die man noch durch die Wartungsluken sowie die noch vorhandenen Löcher für das spätere Heißwindsystem gelangen kann. Später werden diese mit den Rohrleitungen verschlossen. Ein bisschen Kraxeln hindurch ist dabei nötig. Doch das erledigen die Spezialisten, die so genannten Feuerfestmaurer wie Nuno Taranza, ohne darüber nachzudenken. Der Portugiese ist seit zwei Monaten auf der Baustelle und sieht schon die Heimreise nahen.

Etwas entfernt von ihm überprüfen die Männer aus Österreich, deren Firma die Rohrleitungen geliefert hat, ob alles in Ordnung ist. Eine Etage höher diskutiert ein Montageteam von Generalunternehmer Pirson vor dem so genannten Planetengetriebe stehend,wie es zum Hochofen transportiert werden kann, um es einzupassen. Das Getriebe wiegt 3,5 Tonnen. Doch der Hubwagen ist dafür nicht ausgerichtet. Und nun? Vorarbeiter Wolfgang Müller aus Berlin, zugereist aus Trier, bleibt völlig gelassen. "Wir haben noch einen zweiten Hubwagen. Mit beiden geht das vielleicht."

Er macht nicht den Eindruck, als ob das überhaupt ein Problem sei. Für ihn ist die Neuzustellung eines Hochofens auch "nichts Neues". Seit zehn Jahren arbeitet er für Pirson, war schon in Salzgitter, Eisenhüttenstadt, Belgien, Holland und zuletzt Frankreich bei einer Montage dabei. Seit April ist sein Arbeitsplatz in Grambke. Unterbrochen von Heimreisen alle zehn Tage wird er wohl noch bis zum Frühjahr bleiben. Dann geht es laut Unternehmenssprecher Helm aber wirklich nur noch um Restarbeiten.

Jetzt ist nämlich schon so viel erledigt, dass man mit der langsamen Inbetriebnahme der Anlage ab Mitte November rechnet. Sogar die Gießhalle, zum Abtransport der Ofenüberreste eingerissen, sieht schon wieder einigermaßen manierlich aus. Die Bühne wurde wieder aufgebaut. Die Rinnen sind zu erkennen, die später das im Ofen produzierte Roheisen und Schlacke auf getrennten Wegen vom Stichloch im Ofen zu den unterschiedlichen Torpedowaggons abfließen lassen. Auch sonst sind schon einige Anpassungen in die Gesamtanlage erfolgt. Zum Beispiel wurde der Transportweg für das Erz vom Schiff über das Laufband - Huntebahn genannt - in die Druckkammer am Ofenkopf erneuert.

Rekordzahlen bei Hochofen zwei

Nach und nach wird dann das komplizierte Rohrleitungssystem von der Kühlung bis zum Gasabzug wieder angeklemmt. Jetzt schon wird nach Auskunft von Helm parallel an der technischen Installation für die Inbetriebnahme gearbeitet. Man programmiert zum Beispiel die elektrische Steuerung und passt die Software an.

Während der kleine Bruder durch die Neuzustellung einige Monate Pause machte, hat der Große nebenan, Hochofen zwei, ordentlich geschuftet. "Wir haben unseren eigenen Rekord eingestellt", verkündet Jörn Pufpaff stolz. 224 000 Tonnen Roheisen seien im September produziert worden, informiert der Leiter des Hochofenwerkes. Man hat Nummer zwei, ausgerichtet auf die Kapazität von 7700 Tonnen pro Tag, durchlaufen lassen. Voll Power also. "Dadurch haben wir die Leistung hochziehen können."

Das wird Nummer drei niemals schaffen. Auch ganz neu ist dieser Hochofen nur auf eine Kapazität von 4000 Tonnen Roheisen pro Tag ausgerichtet. Bis 4500 Tonnen könnte man kommen, meint Pufpaff. Anfangs werde man aber wohl nur 3500 Tonnen fahren. Bis dahin dauert es aber noch eine Weile. Das ist auch wieder ein anderes Thema. Wie jetzt angekündigt worden ist, beabsichtigt der Konzern aufgrund der Auswirkungen der Finanzkrise die Produktion zu drosseln.


Erstellt von: Letzte Änderung: Samstag den 01. November. 2008 09:41:47 CET von Rainer Meyer
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