Am Lesumdeich begann der Deichverband 1955, nach den Schrecken der Holland-Sturmflut, die Deiche in seinem Gebiet zu erhöhen und zu verstärken. Bei der Sturmflut in Holland am 21. Februar 1953 ertranken über 2.100 Menschen. In der deutschen Bucht richtete die Flut keine größeren Schäden an. Doch die Sturmflut am 22. Dezember 1954 brachte auch im Bremer Raum Höchstwasserstände, wie sie nie zuvor gemessen wurden. Am Lesumdeich stand das Wasser bis an die Deichkrone.
Um diese Zeit waren die Vorbereitungen zu einem besseren Schutz der Einwohner von Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein schon angelaufen. Fachleute aus Bund und Ländern berieten ein neues Küstenschutzkonzept: den Deutschen Küstenschutzplan. In ihm wurden die Deichbesticke, also die Höhe der Deichkronen und die Neigung der Deichböschungen auf der Wasser- und auf der Landseite, neu berechnet. Sofort nach Inkrafttreten des Plans 1955 begann auch der BREMISCHE DEICHVERBAND AM RECHTEN WESERUFER mit der Arbeit an seinen Deichen.
Weite Teile Bremens liegen unter dem mittleren Tidehochwasserstand. 85 Prozent des Stadtgebiets sind hochwasser- und sturmflutgefährdet. Die Deiche an Weser, Lesum und Wümme bilden mit Teilen der Weserdüne und der Wesersandterrasse im Osten einen Schutzring um die Stadtteile auf dem rechten Weserufer. Dieser schützende Deichring ist wie der Rand einer flachen Schüssel: in der "Schüssel" sammelt sich das Regenwasser. Deichbau und der Bau von Entwässerungsanlagen gehört deshalb seit jeher zusammen.
Lesumdeich von Burger Brücke bis Lesumsperrwerk
Auf dem Lesumdeich mit rund 4 km Länge hat der Verband den Deich 1963 um einen halben Meter erhöht, die Deichkrone von 2 m Breite auf 4 m verstärkt und den Deichfuß von 13 m Breite auf 25 m fast verdoppelt. Die Erde dafür stammt aus einer so genannten Püttstelle. Der See links vom Deich ist eine solche Püttstelle, die man an den geraden Ufern erkennen kann.
Die Deichprofile haben sich im Laufe der Generationen, die an den Deichen gearbeitet haben, geändert. Früher baute man schmale Kronen und steile Böschungen, da zum einen die Wasserstände niedriger als heute waren und man noch nicht erkannt hatte, dass ein steiler Deich die Wellen nicht bricht. Zum anderen hätte ein breiterer Deich zuviel Arbeit und zu hohe Kosten für die Verantwortlichen bedeutet. Bis ins vorige Jahrhundert musste jeder Grundbesitzer sein Deichstück selbst in Ordnung halten. Heute kann der Deichverband mit größeren Geldmitteln einen gefährdeten Deich erhöhen oder verstärken.
Die Arbeiten am Lesumdeich sahen so aus: an der Püttstelle hoben Bagger Erde aus und füllten sie in Loren. Eine Lok zog 20 bis 25 Loren über Gleise zur Einbaustelle. 95.000 Kubikmeter Kleiboden bewegten die Bauarbeiter insgesamt, etwa 25 Kubikmeter pro laufenden Meter Deich. Dreißig Mann arbeiteten zwei Sommer lang an der Deichbaustelle.
Die Loren fuhren oben auf dem Deich. An der Einbaustelle stand ein Bagger auf einer Arbeitsplattform aus Erde, etwa in halber Höhe zwischen Deichkrone und Deichfuß außen am Deich. Der Deich wurde außen verbreitert da innen die Straße liegt. Arbeiter kippten die beladenen Loren um und der Baggerführer griff die Erde mit dem Kübel seines Baggers auf. Ehe er den schweren Kübel leerte, stampfte er mit ihm die Erde aus der vorigen Ladung fest.
Die neuen Deichflächen waren uneben. Die Arbeiter schlugen die Kleikluten mit Hacken kaputt und ebneten den Boden ein. Sie deckten die Flächen mit Grassoden, die sie fest anklopften. Am Ende des Sommers spannten sie über frisch gelegte Soden Kükendraht der sie für den Fall sicherte, dass schon Mitte Oktober Hochwasser kam.
Heute ist das Abdecken der Flächen mit Grassoden an der Lesum nicht mehr nötig. Seit dem Bau des Lesumsperrwerks schlagen keine Wellen mehr an den Deich und der Deichverband sät neue Flächen an, da das einfacher und billiger ist. Heute sieht man einer Deichbaustelle nur noch fünf bis acht Mann mit Baggern, Lastkraftwagen und Planierraupen.
Die Deiche im Verbandsgebiet sind im Laufe der Jahrhunderte gewachsen. Jede Generation, die erleben musste, dass das Wasser über den Deich kam, schaufelte besorgt neue Erde darauf. Der Deichverband muss an alten Deichen, die auf einem weichen Untergrund liegen, weiterarbeiten, da einige Deich absacken bzw. "sich verzehren", wie die Fachleute sagen. Der Lesumdeich liegt auf fester Kleimarsch, doch an einigen Stellen kreuzen alte Flussarme den Deichfuß. Es kam vor, dass der damalige Verbandsingenieur abends ein Deichstück fertig hatte, zufrieden nach Hause ging und morgens vor einem Deichbruch stand. Das neue Stück war vom alten Deich wie auf Schmierseife in den weichen Untergrund abgerutscht.
Je höher ein Deich aufgeschüttet und je stärker damit der Erddruck wird, umso mehr verzehrt sich der Deich. Im Blockland liegen Deiche auf weicher Moormarsch. Nur teure Spundwände, Fremdkörper in der Landschaft, könnten diese Deiche noch sturmflutsicher machen. Dieses ist einer der Gründe, die für den Bau eines Sperrwerks an der Lesum sprachen.